Schön rebellischTyson Ritter, Model und Sänger der All-American Rerjects, verkauft sich als Rocker – bestensZur Person:Tyson Ritter ist Schauspieler, Model und Sänger der Band The All-American Rejects, deren Single "
Gives You Hell" es weltweit hoch in die Charts schaffte – in Deutschland seit neun Wochen.
Ritter wurde 1984 in der Kleinstadt Stillwater, Oklahoma, geboren. Dort ernannte er sich 1998 zum Bassisten und Sänger der Band – obwohl er erst 13 war und das Instrument gar nicht beherrschte. Inzwischen liegt das dritte Album der Band vor: "
When The World Comes Down". Der Erfolg verhalf Ritter zum Filmrollen und dem Vertrag als Gesicht der aktuellen Boss-Kampagne.
Wenn er so da sitzt, dieser Sänger mit seiner kühlen Noblesse, den Gehstock in der Hand und einen Bowler-Hut neben sich, weckt das Erinnerungen. Tyson Ritter scheint den Alex DeLarge geben zu wollen, den brutalen Anti-Helden aus Stanley Kubricks "A Clockwork Orange".
Er habe etwas am Bein, deshalb der Stock. Vielleicht spielt Ritter das ein wenig, aber die Inszenierung überzeugt. Nein, nichts Schlimmes, er habe seit Jahren Schmerzen, "pain as hell". Der Griff des Gehstocks rotiert zwischen Ritters Händen, die unzähligen Armbänder schwingen mit. Der Blick aus den stahlblauen Augen ist leer, fixiert nichts. Ritter wirkt reifer als andere 25-Jährige, vielleicht auch nur abgewrackter. Beim Interview in der Frankfurter 1000-Leute-Halle "Batschkapp" scheint er verkatert zu sein.
Ohne ihm Böses zu wollen, kann man sagen: Ritter ist besoffen vom Ruhm. Er spielt mit seiner Band The All-American Rejects Musik, die gerade so rockig ist, wie Pop noch sein darf, damit er sich massenhaft verkauft. Die Single "
Gives You Hell" rotiert seit Wochen auch in den deutschen Hitradios, steht oben in den Charts. Die Konzerte sind ausverkauft, die Mädchen kreischen bei jedem Schatten, von dem sie vermuten, dass ihn "Ty" wirft.
Alles passt zusammen: Ritter gibt den schönen Rebellen - wohl dosiert. Denn er weiß, was er tut: Mit dem Erfolg der Band wurden auch Hollywood und die Modewelt auf Ritter und sein Image als wilder Beau aufmerksam. Jüngst war er in der Hauptrolle der Teenie-Komödie "House Bunny" im Kino zu sehen, es folgte ein Foto-Shooting für ein Jeans-Label mit Gisele Bündchen. Nun ist er gemeinsam mit Lara Stone das Gesicht der Orange-Linie von Hugo Boss. "Das Leben ist schön", sagt Ritter dazu - und plötzlich wachen seine Augen auf. "Ich liebe es, von schönen Frauen umgeben zu sein. Es ist berauschend."
on den Top-Models habe er gelernt, selbstbewusst vor einer Menge zu stehen und sich dabei wohl zu fühlen. "Das können nur ein paar hundert Leute weltweit", sagt Ritter. "Alle anderen sind Pussys!" Die Beziehung zu Boss sei die coolste seines Lebens: "Ich bekam diese Chance, weil wir mit der Band Erfolg hatten. So nutzte ich Boss genauso viel wie die mir", sagt Ritter. So gern er Rollen spielt, hier ist er ehrlich: Er kann rechnen und tut das auch. "Mein Erfolg mit der Band ist so dramatisch gewachsen, dass wir unser Album jetzt mit einer großen Kampagne bewerben können. Also werde ich gut verdienen - ohne Foto-Shootings machen zu müssen."
Ritter sieht sich in erster Linie als Musiker. Doch andere Gelegenheiten lässt er deswegen nicht aus. Das Leben des Tyson Ritter ist schön, man glaubt es ihm.
Das war nicht immer so. Ritter stammt aus Verhältnissen, die in den USA viele als White Trash bezeichnen: "Wir kommen alle aus zerbrochenen Familien, ich habe allein im Wohnwagen gelebt, seit ich 15 war." Sein Lieblingsschimpfwort ist "crazy-ass", er benutzt es oft im Zusammenhang mit seiner Familie. Ansonsten wird er wieder hart und wortkarg. War die Musik eine Fluchtmöglichkeit aus Stillwater, der Kleinstadt in der Einöde Oklahomas? "Yeah." Wäre er ohne die Band immer noch dort? "Wahrscheinlich." Was würde er da für ein Leben führen, was ist aus seinen Freunden geworden? "Die einzigen Freunde, die ich habe, sind in der Band." Er habe Oklahoma hinter sich gelassen und erobere jetzt die Welt. "Ich kann nicht erwarten, an der Spitze zu stehen und runter zu blicken." Dafür reiße er sich "den Arsch auf".
Und wirklich, abends beim Konzert in der Batschkapp ist Ritter wie verwandelt. All die coole Lethargie ist von ihm gewichen. Ganz in Weiß überstrahlt er seine dunkel angezogenen Bandkollegen. Im Publikum sind einige US-Soldaten von den Stützpunkten der Region, ein paar Jungs in Abi-Shirts. Der Großteil der Fans ist jedoch weiblich; viele sind noch mit Mutti oder Vati gekommen.
Ritter reibt seinen Schritt am Mikro-Ständer. "Girls, girls, girls", säuselt er ins Mikrofon, "you Frankfurt girls are a little bit dirty, aren\'t you?" Die Frankfurt-Girls kreischen - und doch hat man den Eindruck, dass ihre Schwärmerei noch keine sexuelle Komponente hat. Ritter schafft es, trotz hoher Dichte an Schimpfwörtern und Anzüglichkeiten für die Mädchen im Zahnspangen-Alter einer zu bleiben, den sie unschuldig anhimmeln können: ein blasser Engel, lustig und sensibel; ein Freund, in dessen großen blauen Augen man romantisch versinken kann; eher ein großer Bruder als einer, der mit den Geschwistern des Rock\'n\' Roll flirtet: Sex und Drugs. Das ist es, was auch ein Mode-Label wie Boss zu schätzen weiß. Und Ritter kennt sein Publikum: Er gibt den Girls, was sie wollen. Denn sie sind es, die seinen Ruhm tragen.
Doch ist nicht alles Oberfläche. The All-American Rejects spielen ein Konzert voll Energie, Ritter ist nach dem dritten Song schweißnass, knöpft das Hemd immer weiter auf, bis das Bandlogo als Tattoo auf seiner Brust zu sehen ist. Wie Glühwürmchen schweben die Digitalkameras und Fotohandys der Fans über den Köpfen. Ritters Hose ist hinten inzwischen grau, er lässt sich immer wieder auf den Boden fallen, als hätten ihn Kugeln getroffen. Schließlich springt er in die Menge und lässt sich von tausend Armen tragen. Er ist ganz oben. Und schaut gern hinunter.
Quelle:
Frankfurter Rundschau (19.05.2009)